top of page

Leadership - Führung

1.1. Prolog

Angenommen, Sie denken darüber nach, wie Sie die Leitung eines Start-up-Unternehmens mit einer vielfältigen Belegschaft übernehmen könnten.

Angenommen, Sie stehen vor der Aufgabe, das Familienunternehmen mit 50 Angestellten zu übernehmen. In einer stabilen Phase fragen Sie sich, wie die zukünftige Entwicklung des Unternehmens aussehen soll.

Angenommen, Sie haben ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert, sieben Jahre Berufserfahrung gesammelt und streben danach, eine Führungsposition in einem mittelständischen Unternehmen mit 200 Angestellten zu übernehmen. Sie machen sich Gedanken darüber, wie das Unternehmen angesichts seines starken Wachstums am besten geführt werden sollte.

Angenommen, Sie wurden gerade zum CEO [1] eines Großkonzerns mit 3.000 Mitarbeiter*innen ernannt. Sie fragen sich, wie die Teams oder das Unternehmen geführt werden sollen, nachdem der Aufsichtsrat der AG gefordert hat, dass Sie agile Teams in die bürokratisch-hierarchische Struktur integrieren.

Der Autor betont auf Seite 105, dass es bei der Führung eines Unternehmens nicht nur um Fach- oder konzeptionelle Kompetenz geht, sondern vor allem um soziale Kompetenz. Die Forschung im Bereich der Führung konzentriert sich hauptsächlich auf die Psychologie der Führung, die dazu beiträgt, das Entwickeln sozialer Fähigkeiten zu unterstützen. Die Erlangung betriebswirtschaftlicher Fachkenntnisse erfolgt durch die verschiedenen Wissensbereiche im Bereich der Betriebsführung, von denen Personalführung und Leadership nur einen kleinen Teil ausmachen [2].

Um in all diesen vier völlig verschiedenen Situationen erfolgreich zu sein, ist ein umfangreiches Führungsrepertoire erforderlich.

Ist das machbar? Ja. Steve Jobs, der darauf abzielte, „eine Delle ins Universum zu schlagen“, hat dies beeindruckend demonstriert. Besonders erfolgreich sind jene Personen, die in der Lage sind, den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens, angefangen von der Gründung bis hin zum Großkonzern, erfolgreich durch alle Phasen zu lenken. Wenn Sie die Biografie von Steve Jobs lesen, die Walter Isaacson verfasst hat, werden Sie ein tieferes Verständnis für alle Phasen des Unternehmenslebenszyklus (ULZ) gewinnen.

Jedoch gibt es nicht nur das, es existieren noch zahlreiche weitere Situationen, die von Ihnen als Führungskraft einiges abverlangen:

- die hierarchischen Strukturen von Unternehmen

- die mittlere Position einer Führungskraft

- die komplexe Beziehungsdynamik

- schwierige oder toxische Angestellte oder toxische Vorgesetzte [3]

- die ökonomischen Gegebenheiten

- eine Situation, in der das Unternehmen Liquiditätsprobleme hat

- ein Wechsel des Eigentümers

- Der Gründer oder die Gründerin tritt zurück.

- Das Start-up scheitert beim Exit.

- Die Insolvenz ist in Sicht.

- die Notwendigkeit eines Turnaround-Managements

- Die Integration nach einer Fusion läuft nicht reibungslos.

- Sie erhalten einen „goldenen Handshake" und müssen daher Ihr Selbst neu definieren (Selbstkonzept und Selbstführung).

- Produktion und Management soll auf nachhaltige Weise betrieben werden.

- die Herausforderungen einer Pandemie bewältigen

- Soll Homeoffice gestattet werden oder nicht bzw. in welchem Ausmaß?

- Wann sollte ich welchen Führungsstil einsetzen?

- Welche Elemente sollen im Unternehmen erhalten bleiben und welche müssen verändert werden?

- Wie kann man digitalisieren?

- Ist es erforderlich, dass wir unsere Firmenkultur ändern?

- Wie geht mein Unternehmen mit dem Klimawandel um?

- Sollen wir agil sein oder werden?

Lassen Sie uns zur Vereinfachung auf die zu Beginn erwähnten vier Führungssituationen zurückkommen.

Wie manifestiert sich Ihr Vorgehen bei der Entscheidungsfindung und Problemlösung innerhalb des Unternehmens?

Im ersten Szenario sind Sie Entrepreneur*in, im zweiten Leader*in, im dritten Manager*in und im vierten Administrator*in. Haben Sie keine Angst vor den Begriffen Manager*in und Administrator*in. Ihr Ruf ist beeinträchtigt durch ein negatives Image. Viele Menschen streben danach, Entrepreneur*in oder Leader*in zu werden, da diese Führungskräfte gesellschaftlich besser angesehen sind als Manager*innen und Administrator*innen. Jeder von ihnen spielt jedoch entscheidende Rollen im Verlauf des Lebenszyklus eines Unternehmens. Darauf wird  im entsprechenden Kapitel näher eingegangen.

Sobald es möglich ist, festzustellen, welche Art von Führungskraft in einer bestimmten Situation benötigt wird, sprechen wir von den sogenannten impliziten Führungstheorien, einer Theorie zur Führung im Alltag. Jeder Mensch hat eine individuelle Auffassung von Führung, sodass für jeden Betrachter ein unterschiedliches Bild des idealen Führungsstils entsteht, unabhängig davon, ob die Person über Führungstheorien oder -konzepte informiert ist. Natürlich hängt diese Perspektive des Führungskonzepts vom kulturellen Umfeld und der historischen Entwicklung ab und verändert sich kontinuierlich. Es existiert daher kein einzig richtiger Führungsstil oder eine Universalführungsperson. Wenn man sich jedoch intensiver mit den Theorien und Konzepten beschäftigt, steigt die Chance, ein breites Spektrum an Führungsstrategien zu erkennen und zu erlernen.

Die Entwicklung von Führungstheorien liegt hauptsächlich bei Wissenschaftlern, während Führungskonzepte eher von Beratern entwickelt wurden und seit den 1980er Jahren zu einem Aufschwung in diesem Bereich geführt haben. Erst in jüngster Zeit hat sich das starke Wachstum etwas verlangsamt und die Führungsforschung hat nun aufgeholt.

„Für einen optimalen Führungsprozess sind die elementaren Kenntnisse der Theorien zu Persönlichkeit, Intelligenz und Wissensrepräsentation bei Menschen unentbehrlich. Auf dieser Grundlage kann eine Führungskraft ihre Mitarbeiter adäquat einschätzen, ihre Beweggründe verstehen und ihre Potenziale erkennen.“ [4]

Des Weiteren existieren diverse Führungspositionen, die sich in Bezug auf die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter*innen, ihren Verantwortlichkeiten, die zwar leitend, aber nicht disziplinarisch sein müssen, sowie in Bezug auf die Budgetverantwortung in verschiedenen Abstufungen unterscheiden.

Es ist stark abhängig von der Ausrichtung der Führungsposition und den entsprechenden Kompetenzen, ob Führungskräfte das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter beeinflussen können. In einem Kleinunternehmen kann der Verantwortungsbereich deutlich breiter sein, mit größerer Autonomie und weniger Vorschriften im Vergleich zu einem Großunternehmen, wo die Handlungsspielräume für Führungskräfte stark eingeschränkt sein können, je nachdem, ob die Hierarchie flach oder steil ist. [5]

Eine erweiterte Handlungsfreiheit hat definitiv einen positiven Einfluss auf die Gesundheit von Führungskräften und fördert somit auch eine gesundheitsfördernde Führung der Mitarbeiter*innen [6].

Bereits im Jahr 2004 äußerte Burns die Ansicht, dass Führungskräfte mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Die Führungslandschaft verändert sich aufgrund folgender Faktoren:

  • den Druck jüngerer Generationen, die versuchen, etablierte Führungskräfte zu verdrängen

  • den verstärkten Bedarf an kollektiver Führung angesichts globaler Bedingungen wie massiver Armut

  • der Kampf von Frauen, Minderheiten und anderen lange unterdrückten Menschen um Führungspositionen

  • die erhöhte Nachfrage nach moralischer, prinzipientreuer Führung [7]


Derzeit besteht ein akuter Bedarf, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen, den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen und künstliche Intelligenz effektiv zu nutzen. Die verschiedenen dynamischen Kräfte führen zu VUKA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) und machen aktuelles Führungswissen erforderlich.

[1] Chief Executive Officer, Vorstandsvorsitzenden oder Generaldirektor eines Unternehmens
[2] Das Standardlehrbuch „Unternehmensführung“ von Dillerup & Stoi umfasst 932 Seiten. Davon sind 40 Seiten der Personalführung und Leadership gewidmet.

[3] Not all psychopaths are in prison – some are in the board room. (Robert Hare lecture, ‘The Predators Among Us’). In: Michalak & Ashkanasy 2020, S. 1

[4] Franken, 2019, S. 27

[5] Korek et al., 2015, S. 213 f.

[6] ebd., S. 220

[7] vgl. Burns 2004, S. XXXII

bottom of page