1.6. Kompetenzen
1.6.1. Technische Kompetenz (Sachkenntnis) [1] bedeutet, die Fähigkeit zu besitzen, theoretisches Managementwissen und Methoden auf den konkreten Einzelfall anwenden zu können. Dies ist die am unmittelbarsten zu vermittelnde Kompetenz und die Managementlehre hat sich dementsprechend lange auf sie konzentriert. Heute weiß man, dass die zwei folgenden von mindestens gleichrangiger Bedeutung sind.
1.6.2. Soziale Kompetenz (Kooperation und Kommunikation) bedeutet, die Fähigkeit zu besitzen, mit anderen Menschen effektiv zusammenzuarbeiten. Dazu gehört nicht nur eine grundsätzliche Kooperationsbereitschaft, sondern auch die Fähigkeit, das Handeln anderer Menschen zu verstehen und sich in sie hineinzuversetzen. Der soziale Aktionsradius einer Führungskraft ist weitreichend, und ebenso weitreichend ist die Anforderung an ihre soziale Kompetenz.
Sie ist auf mindestens vier Ebenen gefordert:
-
auf der Ebene der Kollegen
-
der unterstellten Mitarbeiter
-
der Vorgesetzten und
-
der Bezugsgruppen aus der Umwelt.
Im Zeichen der europäischen Integration und ganz generell der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft tritt als weitere Dimension der sozialen Kompetenz das interkulturelle Verstehen hinzu. Das ist die Fähigkeit, über kulturelle Grenzen hinweg zu kommunizieren und gemeinschaftlich zu handeln.
Die Ergebnisse einer Studie von Meuli (Abbildung 2) zeigen eine starke Zunahme der Bedeutung von sozialer Kompetenz, je größer Unternehmen (x-Achse = Anzahl der Mitarbeiter*innen) sind. „Diese Studie basiert auf einer Befragung einer repräsentativen Stichprobe der Schweizer Privatwirtschaft zum Thema Arbeitsqualifikationen der Zukunft. Sie untersucht den Wandel der Qualifikationsanforderungen an Führungskräfte in der Schweizer Wirtschaft und beschreibt die Zusammenhänge zwischen Betriebsmerkmalen und Veränderungen im Anforderungsprofil. Dabei wird beim Anforderungsprofil zwischen Kompetenzen (Fach-, Sozial- und Organisationskompetenzen) und persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte (Belastbarkeit, Verantwortungsbewusstsein etc.) unterschieden.“ [2]
„Beim Anforderungsprofil an Führungskräfte muss zwischen Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften unterschieden werden. Bezüglich der Kompetenzen haben Fach-, Sozial- und Organisationskompetenzen im Vergleich aller befragten Betriebe in gleichem Maße an Bedeutung gewonnen. Es zeigt sich allerdings, dass die Bedeutung der Sozialkompetenzen mit zunehmender Betriebsgröße linear ansteigt. So haben in 87 Prozent der großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten die Anforderungen an Sozialkompetenzen zugenommen. Organisationskompetenzen haben am meisten bei mittleren Betrieben zugenommen, weniger bei den kleinen Betrieben und Großunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Für kleine Betriebe ist die Fachkompetenz nicht nur absolut zentral geblieben, sondern ihre Bedeutung ist im Vergleich zu den anderen Kompetenzen sogar noch gestiegen.
Die persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte werden mit zunehmender Betriebsgröße immer wichtiger. ‚Persönlichkeit‘ steigt bis 999 MA stark an, während ‚Belastbarkeit‘ besonders bei Großunternehmen mit mehr als 1000 MA noch wichtiger wird.“ [3]
1.6.3. Konzeptionelle Kompetenz (Probleme im Zusammenhang erkennen) bedeutet, die Fähigkeit zu besitzen, Probleme zu strukturieren. Die Entwicklung dieser Kompetenz setzt ein grundsätzliches Verständnis des Gesamtsystems und seiner Bewegungskräfte voraus; nur so können Ereignisse zugeordnet und Anschlüsse an andere Probleme gefunden werden. Konzeptionelle Kompetenz verlangt aber auch die Fähigkeit, ein Problem aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten zu können, oder allgemeiner, in verschiedenen Kategorien zu denken. Ferner – und das ist für eine Führungskraft fast noch wichtiger – verlangt konzeptionelle Kompetenz das Vermögen, bei unterschiedlichen Sichtweisen dennoch einen koordinierten Handlungsvollzug innerhalb und zwischen den Abteilungen zu erreichen.
„Alle drei Kompetenzen wirken in einer Managementaufgabe zusammen. Die Erfüllung jeder Funktion ist, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, auf das Zusammenspiel der Kompetenzen angewiesen.“ [4]
1.6.4. Katz retrospektiv
In seinem 2009 erschienenen retrospektiven Kommentar [5] schreibt Katz über einen vor 20 Jahren publizierten Artikel, dass man damals intensiv versuchte, ein Bündel von Eigenschaften zu identifizieren, die auf Führungstalent schließen ließen. Das sollte zu einer zuverlässigeren Auswahl und zu einem zuverlässigeren Training von Führungskräften führen.
Seine Arbeit beschäftigte sich stärker mit beweisbaren Fähigkeiten (demonstrable skills) im Zusammenhang mit Performance als mit angeborenen Charaktereigenschaften. Und lange bevor von Konzepten zur Entwicklung von Unternehmensstrategien die Rede war, hat er die konzeptionellen Fähigkeiten einer Führungskraft in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt.
Je nach Hierarchieebene werden die drei Fähigkeiten in unterschiedlicher Intensität angewandt.
In Bezug auf die soziale Kompetenz einer Führungskraft unterscheidet er heute zwischen den Führungsfähigkeiten, die sich auf die eigene Organisationseinheit der Führungskraft beziehen, und der Fähigkeit, zwischen verschiedenen Organisationseinheiten Beziehungen herzustellen.
Das heißt, dass eine Führungskraft starke Unterstützung von den eigenen Mitarbeiter*innen erhalten kann, wenn sie für dieselben Werte eintritt, aber die Führungskraft wird mit starkem Widerstand anderer Einheiten konfrontiert werden, wenn diese andere Werte vertreten (zB Produktion versus Verkauf).
Katz spezifiziert in diesem Punkt seine Ausführungen über soziale Kompetenz [6] in der Weise, dass er meint, Führungskräfte auf unteren und mittleren Ebenen fördern den internen Gruppenzusammenhalt (intragroup skills) stärker, während auf höheren Ebenen auch auf die unterschiedlichen Werte anderer Einheiten (intergroup skills) Rücksicht genommen wird.
In Bezug auf die konzeptionellen Fähigkeiten [7] meint er retrospektiv, dass diese darauf abgestimmt sind, in welcher Art und Weise das Unternehmen insgesamt gesehen wird (general management point of view).
Dabei ist Folgendes abzuwägen:
-
die relative Bezogenheit bei einander widersprechenden Zielen und Kriterien
-
die relativen Tendenzen und Wahrscheinlichkeiten (mehr als Gewissheiten)
-
die geschätzten Korrelationen und Muster zwischen den Elementen (mehr als klare Ursachen – Wirkungsbeziehungen).
Wenn jemand diese Relationen nicht beachtet, wird er*sie kaum Führungskraft werden.
Diese Fähigkeiten können aber durch beruflichen Positionswechsel (Jobrotation), abteilungsübergreifende Aufgaben und das Arbeiten an Fallbeispielen trainiert werden.
Katz fragt sich aber auch, ob diese Fähigkeiten im Erwachsenenalter noch „eingeimpft“ (inculcated) werden können. Deshalb könnte die konzeptionelle Fähigkeit doch eher als angeborene Fähigkeit betrachtet werden.
Inwieweit diese Entscheidungspräferenzen mittels Trainings verändert werden können, um sich der jeweils nächsten Phase im Unternehmenslebenszyklus anpassen zu können, kann erst durch eine weiterführende longitudinale Studie beantwortet werden, oder es zeigt sich danach, wie Katz vermutet, dass diese eher angeboren sind.
In seinem ursprünglichen Artikel meinte Katz, dass spezielle technische Kompetenzen[8] im Spitzenmanagement nicht so wichtig seien. Es könne beobachtet werden, dass viele Führungskräfte sehr leicht, ohne ersichtlich schwächere Wirksamkeit, von einer Branche zur anderen wechseln.
Nun meint Katz, dass dies vorwiegend in großen Unternehmen möglich sei, weil die Führungskräfte einen Stab von Assistent*innen und sehr kompetente und erfahrene Techniker zur Verfügung haben. In einem etablierten großen Unternehmen steht ein großes Potenzial an operationaler Leistung zur Verfügung, so dass sich der Generaldirektor (chief executive) den strategischen Angelegenheiten widmen kann.
In kleineren Unternehmen, wo die technische Expertise nicht in diesem Ausmaß zur Verfügung steht, braucht die Führungskraft eine entsprechend gute Branchenkenntnis, um alle branchenbezogenen Fragen der Untergebenen beantworten zu können.
Eine Führungskraft muss die Rolle wechseln [9], je nachdem, in welcher Phase des Lebenszyklus oder in welcher Krise sich das Unternehmen befindet. Katz meint auch, dass es niemandem möglich ist, diese unterschiedlichen Rollen ohne Unterstützung einzunehmen. In jedem Fall ist es wichtig, dass er*sie intern ein „Sounding board“ [10] (Vertrauensleute, die gut informiert und objektiv sind, ihn*sie verstehen und unterstützen) oder außenstehende Ratgeber hat. Das heißt, es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Spitzenführungskraft alles über die Unternehmensabläufe, das Schlüsselpersonal und die Branche weiß.
Es ist grundsätzlich notwendig, diese drei Kompetenzen auf allen Führungsebenen zu trainieren.
[1] vgl. Schreyögg & Koch, 2010, S. 24
[2] http://socio.ch/work/um/02.htm#2. Abgerufen am: 22.06.2021
[3] http://socio.ch/work/um/02.htm#2. Abgerufen am: 22.06.2021
[4] ebd., S. 25
[5] vgl. Katz, 2009, S. 60
[6] vgl. Katz, 2009, S. 62-64, Übers. d. Verf.
[7] vgl. Katz 2009, S. 64-66, Übers. d. Verf.
[8] vgl. Katz, 2009, S. 66-67
[9] ebd., S. 67-69
[10] Sounding Board als Begriff wird in zwei Bedeutungen verwendet: Als Bezeichnung der Moderations- und Feedbackmethode-Methode an sich und als Bezeichnung des Gremiums und damit der Beteiligten, die das Sounding Board ausmachen. Ein Sounding Board hat keine Entscheidungsbefugnis, sondern dient in diesem Zusammenhang als „Resonanzboden“. https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/pm-methoden-erklaert/sounding-board-methode/#Was-ist-ein-Sounding-Board. Abgerufen am: 07.10.2021
