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1.10. Negative und destruktive Führung

Während die fünf zuvor genannten Führungsstile in bestimmten Phasen im ULZ ihre Berechtigung haben, ist der destruktive Führungsstil in keiner Ausprägung wünschenswert, wenngleich er häufig praktiziert wird.

Führungsverhalten, welches von Mitarbeitern als feindselig und/oder hinderlich betrachtet wird, erfährt zunehmendes wissenschaftliches Interesse. Erste Befunde deuten auf eine hohe Prävalenz und erheblichen wirtschaftlichen Schaden durch negative und destruktive Führung hin. [1]

Weiter gefasste Definitionen von negativer und destruktiver Führung berücksichtigen nicht nur das negative Führungsverhalten, das sich gegen Mitarbeiter*innen richtet, sondern auch gegen die Organisation, indem dadurch die legitimen Interessen der Organisation verletzt werden.

Dabei geht es nicht nur um aktives Verhalten, wie das verbale Angreifen von Mitarbeiter*innen, sondern auch um passives sowie unterstützend illoyales Verhalten der Führungskraft, indem z. B. die Mitarbeiter*innen zum Fehlverhalten ermutigt werden.

Destructive Leader Behavior geht über negatives und destruktives Führungsverhalten hinaus und bezieht allgemein kontraproduktive Verhaltensweisen der Führungskraft wie Diebstahl, Betrug oder Veruntreuung mit ein. Bei Destructive Leader Behavior erfolgt die Tat mit Schadensabsicht, während die beiden anderen diese nicht voraussetzen, sondern versehentliche Akte und Handlungen darstellen, die auf mangelnde Kompetenz zurückgehen.

Schyns und Schilling (2013, S. 141) haben eine „Kerndefinition“ von destruktiver Führung entwickelt, die destruktive Führung als Prozess auffasst, in dessen Verlauf die Aktivitäten, Erfahrungen und/oder Beziehungen einzelner Mitarbeiter*innen oder einer Gruppe von Mitarbeiter*innen über einen längeren Zeitraum wiederholt von ihrer Führungskraft in einer Art beeinflusst werden, welche von den Mitarbeiter*innen als feindselig und/oder hinderlich betrachtet wird. Dies setzt keine Schädigungsabsicht der Führungskraft voraus.

Als Ursache für destruktive Führung beschreiben verschiedene Studien, dass das Erfahren von Ungerechtigkeit ein wichtiger Faktor beim Entstehen destruktiver Führung ist und dass es sich dabei um ein Kaskadenphänomen zu handeln scheint. Das heißt, dass die Erfahrung von Ungerechtigkeit von höherer Stelle die Grundlage für eigenes destruktives Führungsverhalten darstellt. Die destruktive Führung richtet sich dabei nicht gegen alle, sondern nur gegen einen spezifischen Teil der Mitarbeiter*innen, die dazu neigen, starke negative Gedanken und Gefühle zu erleben. Das heißt, der Ärger der Führungskraft richtet sich ihrerseits nicht an den eigenen Vorgesetzten, sondern richtet sich gegen diese Mitarbeiter*innen, was man als Aggressionsverschiebung deuten kann. Begünstigt wird dies durch einen feindseligen Attributionsstil und Autoritarismus. Ursache für diese wenig erforschten Persönlichkeitsmerkmale könnte die „dark triad of personality“ sein, die sich aus Psychopathie, Narzissmus und Machiavellismus zusammensetzt. [2]

Die Metaanalyse von Schyns und Schilling (2013) zeigt, dass sich destruktive Führung negativ auf die Arbeitszufriedenheit, das affektive Commitment, also die gefühlsbedingte Bindung an das Unternehmen, und das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen auswirkt und die negativen Ergebniskriterien wie Kündigungsabsicht, kontraproduktives Arbeitsverhalten und Stresserleben verstärkt werden.

Das kontraproduktive Arbeitsverhalten könnte eine Folge der erlebten Feindseligkeiten sein, um auf diese Art Revanche zu nehmen, bzw. könnte die Führungskraft auch als negatives Vorbild dienen. Beides dürfte auf ein grundsätzliches Problem in der Organisationskultur hinweisen, die solches Verhalten nicht verhindert oder sogar fördert. Zudem können außerhalb des Arbeitskontextes Problemfelder liegen, die zu diesem Verhalten führen, wie Problemtrinken und familiäre Konflikte.

Ebenso gibt es Hinweise dafür, dass die Persönlichkeitsstruktur der Mitarbeiter*innen, insbesondere in Bezug auf Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit, die Wirkung destruktiven Führungsverhaltens abschwächen kann und diese Mitarbeiter*innen geringeren Widerstand zeigen. [3]

Destruktive Führer führen ihr Personal mit Kontrolle, Zwang und Manipulation. Sie sind durchaus egoistisch und stellen ihre eigenen Ziele und Interessen in den Vordergrund, während alles andere nebensächlich erscheint (Lang, 2014). [4]

  • Destruktive und toxische Führung
    Aktuelle Studien zeigen, dass respektlose Kommunikation und destruktive Verhaltensweisen von Führungskräften weiterhin sehr verbreitet sind. Eine Studie aus dem Jahr 2024 berichtet, dass 72 % der Befragten respektlose Kommunikation durch Führungskräfte erleben, gefolgt von Manipulation (68 %), Mikromanagement (65 %) und Einschüchterung (59,5 %). [5]
    Auch weniger offensichtliche, aber dennoch schädliche Verhaltensweisen wie Gleichgültigkeit, Selbstbezogenheit oder übermäßiger Leistungsdruck werden zunehmend untersucht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Neue Klassifikationen schädlichen Führungsverhaltens
    Die Forschung differenziert inzwischen zwischen verschiedenen Typen schädlicher Führung, etwa:

    • Einschüchterung

    • Mangel an Fürsorge

    • Selbstzentriertheit

    • Übermäßiger Leistungsdruck

Diese Typen treten mit unterschiedlicher Intensität auf und können sowohl zwischenmenschlich als auch aufgabenbezogen sein.

Der Machiavellismus ist eng verbunden mit negativer und destruktiver Führung. [5] Darunter versteht man eine Strategie sozialen Verhaltens, bei der andere Personen auch gegen ihr Interesse zum eigenen Vorteil manipuliert werden. Diese Gruppe von Mitarbeiter*innen hat die Bereitschaft, alle möglichen Mittel, auch unethische, zur Zielerreichung einzusetzen und die Schädigung anderer, aber auch die Schädigung der Organisation, in Kauf zu nehmen. Machiavellismus wird als Persönlichkeitsmerkmal gesehen, das aber kaum mit Psychopathie und Narzissmus oder den allgemeinen Persönlichkeitseigenschaften der „Big Five“ [6] korreliert. Machiavellist*innen haben keine Skrupel, unethische Mittel zur Zielerreichung einzusetzen, und haben dabei kein schlechtes Gewissen. Der Zweck heiligt die Mittel. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass pro-organisationales Verhalten und Hilfsbereitschaft bei Machiavellisten nicht ausgeprägt sind, dafür aber destruktives Arbeitsverhalten.

Man fragt sich daher, ob Machiavellist*innen für Organisationen sowohl als Mitarbeiter*innen als auch als Führungskräfte verzichtbar sind, da sie der Organisation im Grunde Schaden zufügen. [7] An der Spitze eines Unternehmens sind sie unkontrollierbar.

Die wissenschaftliche Zeitschrift „Accounting & Finance Association of Australia and New Zealand“ errechnet in einem Artikel von Michalak & Ashkanasy die weltweiten Schäden für Depressionen und Angststörungen, die durch „Workplace Monsters“ verursacht werden. Diese belaufen sich auf USD 1,15 Trillion jährlich (ins Deutsche übersetzt sind das 1,15 Billionen Dollar). [8] „Workplace Monsters“ sind aber nicht nur Führungskräfte, sondern es fallen auch Nicht-Führungskräfte darunter. Die Studie beschäftigt sich mit der Verbreitung von „Workplace Monstern“ und ihren Auswirkungen auf Kolleg*innen und den Schäden für die Organisation. Um dieses Problem zu lösen, werden Corporate-Governance Regeln vorgeschlagen, um den enormen Produktivitätsverlust zu minimieren. Die verursachten Schäden sollten zudem bilanziert werden.

Clarke (2002) beschreibt Psychopathen in „Arbeiten mit Monstern: Wie Sie Psychopathen am Arbeitsplatz erkennen und wie Sie sich davor schützen“ [9] folgendermaßen: „Psychopathen gibt es an vielen Arbeitsplätzen. Sie sind Individuen, die manipulativ durchs Leben gehen und sowohl bei ihren Opfern als auch in der Gesellschaft unauslöschliche Spuren hinterlassen. Es sind destruktive Männer und Frauen – gerissen, egozentrisch, rücksichtslos und erschreckend. Sie machen das Arbeitsleben für viele von uns zur Hölle.“

In anderen Arbeiten werden diese Mitarbeiter*innen[10] und Führungskräfte als toxisch bezeichnet. [11] „Als toxische Mitarbeiter*innen werden Personen bezeichnet, die ein demotivierendes und unzufriedenes Verhalten am Arbeitsplatz an den Tag legen und dieses Verhalten auch auf andere Teammitglieder übertragen.“ [12]

Der Schaden, den toxische Mitarbeiter*innen verursachen, kann am besten durch deren Isolation verhindert werden. [13] Sie können aber auch versuchen, die toxische Person durch ein klärendes Gespräch zur Einsicht zu bringen, dass es für alle Beteiligten günstiger sei, das Unternehmen freiwillig zu verlassen. In vielen Fällen wird dies allerdings nicht möglich sein, weshalb anders vorgegangen werden sollte, indem durch gezielte Maßnahmen eine Isolation von den anderen Mitarbeiter*innen erreicht werden kann. Dabei kann es helfen, die Arbeitsplätze in den Büros neu zu ordnen, neue Projekte zuzuweisen, weniger Teamsitzungen mit allen Mitgliedern abzuhalten oder die Mitarbeiter*innen zu Homeoffice zu motivieren. Die physische Distanz reduziert dann den emotionalen, psychologischen und kognitiven Verlust im Unternehmen. Lassen Sie Beschwerden über toxische Mitarbeiter*innen zu und versuchen Sie, in Einzelgesprächen ihren Mitarbeiter*innen die Abwehrmöglichkeiten zu trainieren, um die Toxizität zu mildern. Sie hatten die viralen Auswirkungen eines giftigen Mitarbeiters erlebt und waren nicht bereit, sich noch einmal angreifbar zu machen. [14]

Die „allgemeine Gesundheit“ eines Unternehmens hängt davon ab, wie es mit toxischen Mitarbeiter*innen umgeht. Wie ein Virus kann sich die Negativität im Team und in der Organisation ausbreiten und dazu führen, dass die herausragenden Mitarbeiter*innen das Unternehmen verlassen. Um Ihre Organisation zu immunisieren, überlegen Sie, was Sie machen können, um die giftige Person zu isolieren – oder sie ganz loszuwerden. Die Mitarbeiter*innen und das Unternehmen haben damit eine viel bessere Chance, erfolgreich zu sein. [15]

 

[1] Schilling & May 2015, S. 317

[2] vgl. Schilling & May, 2015, S. 323, 324

[3] vgl. ebd. S. 325, 326

[4] Kallenbach, Andrea, 2021, S. 158

[5] Zaghmout, B. , 2024, S. 244

[6] Niccolò Machiavelli war italienischer Diplomat und Philosoph (1469-1527). Bekanntestes Werk: Il Principe/Der Fürst.

[67] Ist ein Persönlichkeitstest, bei dem fünf Dimensionen gemessen werden: Offenheit für Erfahrungen (Aufgeschlossenheit), Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus), Extraversion (Geselligkeit; Extravertiertheit), Verträglichkeit (Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie) und Neurotizismus (emotionale Labilität und Verletzlichkeit).

[8] vgl. Belschak & Den Hartog 2015, S. 333

[9] Michalak & Ashkanasy, 2020, S. 729

[10] Clarke 2002, Übers. d. Verf.

[11] Franke, 2021

[12] Berning, 2021

[13] Köhler, 2021

[14] vgl. Porath, 2016, S. 4

[15] vgl. ebd. S.4f.

[16] vgl. ebd. S. 5

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