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1.16. Respektvolle, wertschätzende und achtsame Führung [1]

Ein wesentlicher Aspekt bei der Begegnung von Führungskräften mit ihren Mitarbeiter*innen ist Respekt.

In den beziehungsorientierten Theorien ist Respekt ein wesentlicher Parameter bei der Einschätzung der Mitarbeiterorientierung einer Führungskraft, so in der klassischen Kontingenztheorie von Fiedler, in der Theory Y von McGregor, in einem Teil der transformationalen Führung (individuelle Anerkennung), in der ethischen Führung und in der Leader-Member Exchange Theorie.

Viele kennen folgende Situationen: Die Führungskraft antwortet nicht auf Mails. Die Führungskraft, weiß im Grunde nicht, was die Mitarbeiter*innen wirklich tun. Die Führungskraft macht einzelne Mitarbeiter*innen im Beisein der anderen für eigene Fehler verantwortlich.

Die Respektlosigkeit kann auch nachgewiesen werden. 31% fanden in einer Studie [2] in Deutschland, dass sie von ihrer Führungskraft nicht respektiert werden. Die Auswirkungen sind u. a. schlechtere Leistungen, höhere Krankenstände, Schlafstörungen, schlechtere Gesundheit der Mitarbeiter*innen, schlechtere Reputation des Unternehmens.

Zudem wird das Gerechtigkeitsempfinden gestört, wenn innerhalb der Gruppen von Mitarbeiter*innen einzelne respektlos behandelt werden. Wer erlebt, dass ein Kollege oder eine Kollegin respektlos behandelt wird, denkt häufiger darüber nach, das Unternehmen zu wechseln (Spencer & Rupp, 2009).

In der Forschung wird zwischen horizontalem und vertikalem Respekt unterschieden.

  • Unter horizontalem Respekt wird das Kommunizieren auf Augenhöhe, das als ethisch, moralisch, fair und ehrlich empfunden wird, verstanden.

  • Vertikaler Respekt bezieht sich auf die Anerkennung der Expertise oder der Fähigkeiten einer Person im Vergleich zur eigenen Person. Die Referenzperson verfügt dabei über herausragende Eigenschaften. Dieser „Meister“ seines Faches bewirkt, dass es zu einer vertikalen Verschiebung der Beziehungsebene kommt, die dennoch respektvoll gelebt werden kann. Es besteht allerdings die Gefahr, dass es durch die Überhöhung zu einer Abwertung dieses „Meisters“ bzw. dieser „Meisterin“ und damit zu einer Ablehnung seines bzw. ihres Einflusses kommt.

Borkowski (2011) beschreibt respektvolle Führung als das Zusammenspiel von

  • respektvollen Umgangsformen,

  • respektvoller Zusammenarbeit und

  • respektvollen Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*innen.

Als Indizien dafür, dass Führungskräfte als respektvoll wahrgenommen werden, zeigen sich eine geringere Ausprägung an Extraversion sowie höhere Ausprägungen von Verträglichkeit, emotionaler Stabilität und Offenheit für Erfahrungen.

Neben diesen Charaktereigenschaften zeigte sich, dass je fachkompetenter eine Führungskraft ist, umso häufiger wird ihr Führungsverhalten von ihren Mitarbeiter*innen als respektvoll beurteilt.

Eine durch Sorgen und Zeitdruck gestresste Führungskraft wird ebenso von den Mitarbeiter*innen als weniger respektvoll wahrgenommen.

Die positiven Effekte respektvoller Führung zeigen sich vor allem in einer höheren Selbstbestimmung der Mitarbeiter*innen, in positiven Auswirkungen auf deren Gesundheit und in geringeren Fehlzeiten. Zudem beteiligen sich respektvoll behandelte Mitarbeiter*innen an den Lösungen organisationaler Probleme und sind bereit, mitzudenken und freiwillig proaktive Verbesserungsvorschläge einzubringen.

Mit den folgenden Fragen von Eckloff & Van Quaquebeke (2008, S. 260) kann Respekt gemessen werden:

 

Meine Führungskraft …

  1. vertraut mir, dass ich eigenständig und selbstverantwortlich gute Leistung bringe.

  2. äußert Kritik sachlich und konstruktiv.

  3. erkennt mich als vollwertiges Gegenüber an.

  4. erkennt meine Leistungen an.

  5. zeigt ehrliches Interesse an meiner Meinung und meinen Einschätzungen.

  6. versucht nicht, mich für ihre Fehler verantwortlich zu machen.

  7. steht gegenüber Dritten ganz klar hinter mir und meiner Arbeit.

  8. behandelt mich höflich.

  9. versorgt mich mit allen für mich relevanten Informationen.

  10. nimmt mich und meine Arbeit ernst.

  11. geht offen und ehrlich mit mir um.

  12. behandelt mich fair.

Kodierung: Der Grad der Zustimmung zu jedem Item wird mittels einer fünfstufigen Likert-Skala erhoben (1 = trifft nicht zu, 5 = trifft sehr zu).

Als Führungskraft können Sie diese Punkte auch in einem Selbsteinschätzungsverfahren beantworten, um festzustellen, ob Sie eine respektvolle Führungskraft sind oder werden wollen.

 

 

 

 

Starke Ähnlichkeiten zur respektvollen Führung (respectful leadership) haben die wertschätzende Führung (appreciative leadership) und achtsame Führung (mindful leadership).

Wertschätzende Führung bezieht sich vor allem auf wertschätzende Kommunikation, die wertschätzende Beziehungen erzeugen soll. Dem liegt im Kern das Konzept der gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg zugrunde.

„Um Führung heute zu meistern, ist der Aufbau wertschätzender Beziehungen essenziell. Dazu müssen Führungskräfte drei Schlüsselherausforderungen berücksichtigen:

  • das Wahren von Autonomie (der eigenen und die anderer Personen),

  • Klarheit über Rollen in der Organisation (vor allem der eigenen) und

  • das Erkennen von und den Umgang mit Grenzen.

Für das Eröffnen des Beziehungsraumes, der zur Gestaltung von Kommunikation und Interaktion notwendig ist, werden sechs Landkarten aus der Transaktionsanalyse beschrieben: die Grundeinstellung in Beziehungen, die Muster der Beziehung (Strokes) und die persönlichen Antreiber. Psychologische und soziologische „Landkarten“ reduzieren Komplexität und stellen dadurch Arbeitsfähigkeit her. Sie sind nicht als Konkurrenz zu den subjektiven ‚Wirklichkeiten‘ von Menschen und Organisationen zu verstehen, sondern als Modell, um diese zu verstehen und zu erklären.“ [3]

Achtsame Führung hat ihren Ursprung im Buddhismus, der auch im Westen immer mehr an Bedeutung gewinnt und zunehmend auch in der Leadership-Forschung präsent ist. In einer interessanten Studie wurde von Lange et al. (2018) der Grad der Achtsamkeit als Prädiktor für destruktive und transformationale Führung erforscht. Dabei wurden 60 Teams analysiert, wobei der Grad der Achtsamkeit von den Führungskräften in der Selbst-Perspektive und deren Führungsverhalten durch die Mitarbeitenden in der Fremdperspektive bewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass achtsamere Führungskräfte weniger destruktiv und mehr transformational-führend von ihren Mitarbeitenden wahrgenommen werden. Frühere Studien hatten bereits den stressmindernden Effekt von achtsamer Führung belegt.

Organisationen wird daher geraten, den Grad der Achtsamkeit ihrer Führungskräfte zu erhöhen, um deren destruktives Führungsverhalten zu reduzieren und transformationale Führung zu stärken.

 

[1] Decker & Quaquebeke, 2015, S. 89

[2] vgl. Van Quaquebeke et al., 2009

[3] Schulze & Sejkora, 2017, S. 116

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